28.03.2024

Bonner Fernwärme erfüllt Werte, die sie erst nach 2030 erreichen müsste

Der Umbau der Gas- und Dampfturbine im Heizkraftwerk (HKW) Nord ist in vollem Gange. Die Arbeiten sind notwendig, um die Bonner Fernwärmeerzeugung dauerhaft zu steigern und sicherzustellen. (Foto: Stadtwerke Bonn/Hermann Kurz)

Teil 2*: Laut Wärmeplanungsgesetz (WPG) ist die Wärme aus der thermischen Abfallbehandlung unvermeidbare Abwärme und damit regenerativ erzeugter Wärme gleichgestellt. „Deshalb kann sie voll angerechnet werden bei unserem Bestreben, unsere Wärmeversorgung nachhaltig aufzubauen“, sagt Olaf Hermes, Konzerngeschäftsführer der Stadtwerke Bonn. 

Die Fernwärmebereitstellung in Bonn erfolgt aktuell bis zu 50 Prozent aus unvermeidbarer Abwärme, die bei der thermischen Verwertung der Siedlungs- und Gewerbeabfälle in der Müllverwertungsanlage (MVA) entsteht. Dieser Mülldampf wird im Heizkraftwerk (HKW) Nord einer Hocheffizienzturbine zugeführt, die mit Hilfe der Kraft-Wärme-Kopplung klimaschonend Fernwärme (aber auch Strom) produziert. 

Bonner Fernwärme steht deutschlandweit sehr gut da

„Mit dem Anteil von 50 Prozent hat die Bonner Fernwärme den ersten Zwischenschritt der gesetzlichen Dekarbonisierungs-Vorgaben aktuell sogar übererfüllt“, erläutert Marco Westphal, Geschäftsführer von SWB Energie und Wasser. Vorgeschrieben in Wärmenetzen ist ab 2030 ein Anteil von mindestens 30 Prozent an erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme.

Nur wenige Fernwärmenetze in vergleichbarer Größenordnung weisen in Deutschland einen ähnlich hohen Anteil an regenerativer Wärme oder unvermeidbarer Abwärme auf. Laut Zahlen des Branchenverbandes AGFW liegt der Anteil klimaneutraler Wärmequellen an der Fernwärmeerzeugung im Bundesschnitt bei 29 Prozent, in NRW sogar bei nur 22 Prozent.

Konzernübergreifende Programmgruppe im Einsatz

Auch wenn die Bonner Fernwärme bereits zur Hälfte aus regenerativer Wärme bzw. unvermeidbarer Abwärme erzeugt wird und damit bereits jetzt die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden, wird der Dekarbonisierungspfad konsequent weiterverfolgt. Um die verbleibenden 50 Prozent sukzessive auf erneuerbare Energien umzustellen, haben die SWB daher frühzeitig die ersten Schritte in die Wege geleitet. 

„Und dies nicht erst seit den neuen Vorgaben aus Berlin, sondern bereits seit Jahren im Rahmen der konzernübergreifenden Programmgruppe ‚Fernwärme 2035‘. Dabei haben wir neben den gesetzlichen Zielvorgaben bis zum Jahr 2045 auf Bundesebene auch das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 in der Stadt Bonn im Blick“, sagt Olaf Hermes. So wird beispielsweise derzeit ein Transformationsfahrplan erstellt, der den Weg zur Klimaneutralität der Fernwärme beschreibt. 

Der Rhein soll als natürliche Wärmequelle angezapft werden

Neben erforderlichen Strategien, Plänen und Machbarkeitsstudien nimmt jedoch auch eine erste wichtige Umsetzungsmaßnahme konkrete Züge an. „Die Planungen für eine Flusswasser-Wärmepumpe, die den Rhein als natürliche Wärmequelle nutzt, schreiten voran. Die Großwärmepumpe soll am Rheinufer in Plittersdorf und der erforderliche Wärmespeicher am Standort des Heizkraftwerk-Süd aufgebaut werden“, erklärt Marco Westphal, Geschäftsführer von SWB Energie und Wasser.

Ziel ist es, diese Anlage 2026/2027 in Betrieb zu nehmen. Außerdem wird aktuell eine Machbarkeitsstudie für eine Großwärmepumpe im Bonner Norden erstellt. Auch weitere potenzielle Wärmequellen für die Bonner Fernwärme werden geprüft, wie Abwärme aus dem städtischen Abwasser, Gewerbebetrieben oder Rechenzentren sowie geothermische Wärme. 

Das Ziel ist eine Wasserstoff-Pipeline bis nach Bonn

Die Stadtwerke Bonn setzen sich gemeinsam mit der Stadt Bonn stark dafür ein, die Bundesstadt an das Wasserstoffkernnetz anzubinden. Dieses soll bis 2032 deutschlandweit aufgebaut werden und Wasserstoff-Erzeuger, Häfen, Industrie und Kraftwerke miteinander verbinden. Der Einsatz von grünem Wasserstoff in hocheffizienten Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung kann ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur klimaneutralen Fernwärme sein. 

„Den Transport von Wasserstoff über das derzeitig existierende Erdgas-Verteilnetz bis ins Wohngebäude sehen wir hingegen für Bonn nach aktuellem Kenntnisstand und aus technisch-wirtschaftlichen Erwägungen nicht“, so SWB-Konzernchef Olaf Hermes in seiner Funktion als Mit-Geschäftsführer von SWB Energie und Wasser.

Anteilige Wasserstoffzufuhr im HKW ab 2025

Im HKW Nord wurde bereits eine moderne wasserstofffähige Gasturbine installiert und die Bestandsgasturbine H2-fähig umgebaut. Um Wasserstoff langsam anteilig einzusetzen, startet mit Letzterer 2025 der Testbetrieb zur Wasserstoff-Einspeisung. Im ersten Schritt wird er über mobile Speicherbehälter temporär mitgenutzt. Danach müsste das HKW an eine H2-Versorgungspipeline, sprich an das Wasserstoffkernnetz, angeschlossen werden. (ph/se)

* Teil 3 der fünfteiligen Mini-Serie zur Rolle der Bonner Fernwärme für die Klimawende gibt es am 11. April.  

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